Freitag, 03. Mai 2024

Mark Schrader zeichnet ein düsteres Bild von der derzeitigen Lage des Pressevertriebs. Der Chief Distribution Officer fordert einen radikalen und schnellen Systemumbau - Foto: Martin Kess

„Ich kann keinen Grund zum Optimismus erkennen“

Mark Schrader, Chief Distribution Officer der Bauer Media Group, blickt kritisch auf die gegenwärtige Situation des Pressevertriebs. Er kann in der aktuellen Marktdynamik nichts Positives erkennen. „Umsatz- wie Absatzentwicklung setzen nahtlos an die des sehr schlechten letzten Jahres an“, so Schrader, der auch gesteht: „Ich kann keinen Grund zum Optimismus erkennen.“

Schrader mahnt davor, die derzeitige Marktentwicklung nicht fehlzuinterpretieren: „Wir dürfen uns nicht täuschen lassen von der vielleicht momentan „gefühlten“ Entspannung.“ Seiner Erwartung nach werden die Papierkosten langfristig weiter steigen. Auf der anderen Seite würden Copy-Preiserhöhungen bald an ihre Grenzen stoßen. „Übrig bleibt dann ein Markt, der auch in diesem Jahr wieder zehn bis zwölf Prozent seines Absatzes verliert“, prognostiziert der Vertriebschef der Bauer Media Group.

Für Schrader resultiert daraus, dass die Zukunftssicherung des Pressevertriebssystems zur zentralen Aufgabe für die kommenden Monate und Jahre werden muss. An Ideen dafür, wie diese Zukunft aussehen kann, mangele es nicht: „Konzepte zur Stabilisierung, Restrukturierung und damit zur Zukunftsfähigkeit unseres flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertriebssystems – zumindest auf Verlagsseite – sind vorhanden, es wird entscheidend sein, was davon wie umgesetzt werden wird.“

Appell: „Alle Einsparpotenziale nutzen“

Zugleich ist der Vertriebschef der Bauer Media Group überzeugt, dass sich der Konsolidierungsprozess, welcher in den vergangenen Jahren sowohl unter Presse-Grossisten als auch Verlagen und Nationalvertrieben zu beobachten war, „zwingend“ fortsetzen muss. Das allein könne aber nicht die Antwort sein. „Wir müssen auch über die noch möglichen Konsolidierungen hinaus denken. Wenn wir bei der heutigen – und vermutlich auch künftigen – Marktentwicklung nicht schnellstmöglich und konsequent alle Einsparpotentiale nutzen, wird die Herstellung und der Vertrieb von Printprodukten in Zukunft nicht mehr wirtschaftlich sein.“

Inwieweit künstliche Intelligenz dabei eine Rolle spielen kann, wird derzeit in der Branche kontrovers diskutiert. Viele Firmen haben Initiativen und Projekte gestartet, um die Potenziale von KI auch im Pressevertrieb nutzbar zu machen. Für Schrader ist die Ausgangslage der jeweiligen Marktakteure aber höchst unterschiedlich: „Man muss differenzieren zwischen solchen Marktteilnehmern, die auf Grund des momentanen Medien-Hypes meinen, vollmundig künftiges Engagement ankündigen zu müssen. Und denen, die KI-Möglichkeiten bereits früh erkannt haben und bereits produktiv nutzen.“

Die Bauer Media Group zählt Schrader zu letzterer Kategorie. Der Verlag könne bereits „zielgenau die Verkaufswahrscheinlichkeiten jedes einzelnen Händlers für jedes Objekt und jede Heftfolge“ bestimmen. Wie das beim Sparen hilft? Laut Schrader könne man auf diesem Wege Kosten auf Verlags- und Grosso-Seite sowie den Aufwand im Einzelhandel senken. Und die Entwicklungsarbeit sei noch nicht zu Ende. „Gleichzeitig werden wir viele Prozesse mittels KI weiter deutlich vereinfachen und damit Synergien in der gesamten Supply-Chain heben.“

„Werden uns zu Zweckgemeinschaften zusammenschließen müssen“

Dass Entwicklungen wie die Konsolidierung und KI auch ein Umdenken für den Aufbau und die Arbeitsweise der Vertriebsabteilungen in Verlagen bedeuten, ist dem Vertriebsmanager bewusst. „Vertriebseinheiten benötigen schlanke, effiziente Prozesse, um den möglichst größten Nutzen für die Verlage aus dem Markt zu holen“, so Schrader. Daneben seien es vor allem die Daten aus verschiedenen Quellen sowie deren Kombination und Gegenüberstellung, die wichtiger würden. Sie sollen objektive Vertriebsentscheidungen ermöglichen.

Es geht um nicht weniger als ein grundsätzliches Umdenken in der Entscheidungsfindung im Pressevertrieb: „Die Zeiten der Steuerung nach Gefühl mit dem vielzitierten „Vertriebsdaumen“ sind passé“, ist Schrader überzeugt. „Vertrieb wird in Zukunft noch stärker datengetrieben sein. Wir werden uns vermutlich zu unterschiedlichsten Zweckgemeinschaften zusammenschließen müssen, um die dafür nötigen Investitionen zu stemmen und die technischen Plattformen gemeinsam betreiben zu können.“

Damit einher gehe auch ein neuer Anforderungskatalog an das Personal. Es brauche strategisch denkende Mitarbeiter, die die angesprochenen Plattformen „intelligent steuern“ können.

Trotz aller Herausforderungen am Markt will Schrader das Pressevertriebssystem noch nicht abschreiben. Was er fordert, ist nicht weniger als ein umfassendes Neu-Denken der Marktstrukturen und Aufgabenverteilung – und zwar schnellstmöglich. „Momentan, noch aus einer relativen Position der Stärke heraus, haben wir die Kraft, viele der notwendigen Veränderungen vorzunehmen“, sagt der Vertriebschef der Bauer Media Group. „Das Zeitfenster beginnt sich aber zunehmend zu schließen. Wenn wir jetzt nicht radikal, schnell, konsequent den Systemumbau beginnen, wird uns das bereits in wenigen Jahren auf die Füße fallen.“

 

Mark Schrader wird seine Überlegungen zur Zukunft des Pressevertriebssystems auch beim MVFP Distribution Summit 2023 vorstellen. Das Event steigt am 29. August 2023 in Hamburg. DNV ist Medienpartner. Infos und Anmelde-Optionen gibt es unter mvfp-akademie.de/mvfp-distribution-summit.

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