Sonntag, 28. April 2024

Mehr Innovations- und Risikobereitschaft, mehr Kooperation und der Kampf gegen den Churn: Über diese und weitere Themen sprachen bei Medienhaus/NEXT/ 2024 u.a. (v.li.) Carsten Knop, Enrique Tarragona und Luca Gatscher - Fotos: Fraitag

5 Learnings vom Branchenevent Medienhaus/NEXT/ 2024

Der Kundenbindungsspezialist AVS hat am 28. Februar 2024 zum Branchenevent Medienhaus/NEXT/ nach Frankfurt am Main geladen. In den Räumlichkeiten des neuen FAZ-Tower der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kamen rund 90 Abonnement-, Digital- und Verlagsexperten zusammen, um sich über aktuelle Trends und erfolgreiche Strategien für Abonnement-Geschäft und Kundenbindung auszutauschen. DNV hat im Folgenden fünf Erkenntnisse aus Vorträgen und Gesprächen zusammengefasst.

Verlagsbranche braucht echte Innovation

Innovation wird auch in der Verlagsbranche häufig gefordert – selten aber dagegen geliefert. Ein Umstand, den auch FAZ-Herausgeber Carsten Knop kritisierte. Er zog dazu eine Aussage von Apple-CEO Tim Cook heran, den er mit den Worten zitierte: „Build products that you love, not just incremental improvements.”

Knop attestierte dahingehend der gesamten deutschen Wirtschaft eine über Jahrzehnte mangelnde Bereitschaft, große Innovationssprünge zu machen und sich stattdessen nur über inkrementelle Produktverbesserungen zu entwickeln. Und er fragte: „Sind die Geschäftsführungen unserer Häuser bereit dazu, viel Geld in die Hand zu nehmen für etwas, von dem wir überzeugt sind, dass es auch wirklich gut ist, wenn wir es auf die Kunden loslassen? Oder basteln wir digital immer noch zu viel herum?“

Der FAZ-Herausgeber zitiert hinsichtlich der Innovationsfähigkeit der Verlagsbranche auch Jeff Bezos, und zwar mit den Worten: „Innovation itself is not disruptive. Consumer adoption is.“ Knop erklärt, er sei sich nicht sicher, ob dieser Aspekt in der Branche ausreichend berücksichtigt werde. „Klar, wir können hier etwas Neues einbauen und dort ein neues Produkt auf den Markt bringen. Aber am Ende zählt, ob der Kunde darauf so reagiert, wie wir es wollen, und ob wir damit mehr Abos verkaufen“, so Knop. Und weiter: „Ich befürchte, in dieser Hinsicht müssen wir künftig etwas ehrlicher zu uns selbst sein und hin und wieder auch mal ein digitales Produkt wieder abschalten, wenn es nicht funktioniert. Entweder es gibt die 'consumer adoption', oder es gibt sie nicht. Und für Print-Produkte gilt das auch.“

Aus welchen Trends und Hypes langfristig tatsächlich Innovationen entstehen können, ist dabei oft anfangs nicht unbedingt absehbar. Darauf wies auch Enrique Tarragona hin, Geschäftsführer von Zeit Online. Er erklärte: „Die Wirkung von Innovation wird am Anfang immer überschätzt und die langfristigen Folgen werden unterschätzt.“ So sei es aktuell auch mit künstlicher Intelligenz. Deren wahres Ausmaß auf die Branche und die Gesellschaft werde man erst in einigen Jahren erkennen können.

Verlagsbranche braucht mehr Kooperation im Vertrieb

Dass es in der Verlagsbranche mehr Kooperation braucht, ist nun bereits seit einigen Jahren häufiger zu hören. Auch wird dieser Gedanke an mehreren Stellen bereits in die Tat umgesetzt. Dennoch war es erneut FAZ-Herausgeber Carsten Knop, der hier noch mehr Handlungsbedarf sieht: „Angesichts des Drucks durch den Markt, durch künstliche Intelligenz und das Verhalten der großen amerikanischen Plattform-Unternehmen bleibt uns gar nichts anderes übrig, als viel enger miteinander zusammenzuarbeiten. Ohne Partnerschaften wird es im Digital-Geschäft nicht gehen.“

Knop hob in der Folge den Dialog auf Branchenevents wie Medienhaus/NEXT/ sowie den Gedankenaustausch hervor. Er ging darüber hinaus konkret auf den Lesermarkt ein und skizzierte einen „gebündelten Vertrieb von Produkten, wo vielleicht ein Abo genügt, um auch ein weiteres freizuschalten“. Dazu nannte er die „Zusammenarbeit in entsprechenden Vorteilswelten“, in denen bestehende Abonnenten zusätzlich neue Produkte kennenlernen könnten – auch Produkte von Wettbewerbern, so sie denn dazu passen. Und er sprach von Zusammenarbeit in der Entwicklung neuer Produkte. „Ich bin mir sicher, dass wir Verlage es alleine […] nicht schaffen werden.“ Und er schloss: „Ich glaube, gerade im Vertrieb geht da noch viel viel mehr.“

Churn frisst das Wachstum auf

Das wohl meistdiskutierte Thema bei Medienhaus/NEXT/ war die aktuelle Problematik des immer geringer werdenden Wachstums im Digital-Abonnement. Als Hauptproblem wurde erkannt, dass bei stabiler Kündigungsquote und wachsenden Abo-Beständen die Zahl der Neuabschlüsse irgendwann schlicht nicht mehr ausreicht, um die Zahl der Abo-Kündigungen überzukompensieren und weiter zu wachsen. An diesem Punkten seien einige Verlage schon jetzt, während viele andere kurz davor stünden. Der Effekt sei dabei zum Teil sehr abrupt eingetreten. „Das Wachstum hat sich fast schlagartig verlangsamt“, berichtete Enrique Tarragona von Zeit Online.

Die diskutierten Lösungsansätze gingen in verschiedene Richtungen. Zum einen geht es um die Suche nach neuen Kanälen, über die Reichweite und damit potenzielle Nutzer und Abonnenten gewonnen werden können. Social Media könnte dabei eine Rolle spielen, aber konkrete Lösungen hatte man noch nicht parat. Auch eine Weiterentwicklung bzw. Optimierung der Produkte und des Pricing wurde besprochen. Zur Herausforderung gehört dabei auch, dass ein mittlerweile hoher Anteil der Neuabschlüsse keine wahren Neukunden sind, sondern sogenannte „Wiederkehrer“, die zuvor schon mal ein Abo getestet hatten.

Zum anderen wurden Maßnahmen zur Kundenbindung und Loyalisierung betont, um die Churn Rate zu reduzieren und die Abo-Haltbarkeiten zu verlängern.

A/B-Tests an der Paywall sind Pflicht

Des Weiteren zeigte sich, dass A/B-Tests für die Weiterentwicklung der digitalen Produkte und Pricing-Strategie heute nicht mehr wegzudenken sind. Verlage setzen sie mittlerweile teils im großen Stil zur Verfeinerung ihrer Paywall- und Marketing-Konzepte ein.

So berichteten aus dem Hause FAZ Abo-Chef Dr. Tobias Fredebeul-Krein sowie Digital-Marketing- und Paid-Content-Spezialistin Annemarie Sowa davon, wie entsprechende Tests mit Blick auf den Einstiegspreis ins Probe-Abo, die Gestaltung der Paywall-Texte oder den Check-out-Prozess durchgeführt wurden. Infolge dieser Tests hat sich die FAZ beispielsweise kürzlich entschieden, das Probe-Abo nicht mehr kostenlos, sondern für den Monatspreis von 99 Cent anzubieten. Auch hat sich gezeigt, dass das Stilmittel der Streichpreise einen Uplift in der Neukundengewinnung bringen kann. „Im Grunde vertesten wir jegliche Maßnahme, die wir auf die Website oder in die Apps bringen“, erklärte Sowa.

Kundenbeziehungen durch Erlebnisse aufladen

Am Ende kristallisierte sich aber vor allem heraus, dass der persönliche Kontakt zu den Abonnenten und das Schaffen von Mehrwerten und Erlebnissen für die Kundenbindung mindestens genauso wichtig sind. Luca Gatscher, Head of Subscription & Marketing beim österreichischen Verlagshaus Die Presse, berichtete beispielsweise davon. Er beschrieb unter anderem, wie der Verlag gezielt Abonnenten mit hoher Kündigungswahrscheinlich zu Events einlädt, ihnen persönliche Erlebnisse ermöglicht und so die Kündigerrate deutlich reduzieren kann. Auch der telefonische Kundenservice spiele eine wichtige Rolle, da sich im persönlichen Gespräch besser Nähe vermitteln lasse.

Das übergeordnete Ziel ist dabei, die Verbesserung des Engagement – dass also die Abonnenten häufiger und intensiver mit der Medienmarke interagieren bzw. ihre Angebote nutzen. Community Building ist ein Schlüssel dazu, argumentierten DNV-Chefredakteur Wolfgang Rakel und DNV-Redakteurin Sophia Fiedler in ihrem Vortrag. Sie zeigten Beispiele aus der Creator Economy und der Verlagsbranche, die verdeutlichten, auf welche Weise sich Abonnenten aktivieren lassen und das Community Building so zum wirtschaftlichen Erfolg beitragen kann.

Eine wichtige Rolle kommt dabei auch den Social-Media-Plattformen zu. Wie diese eingesetzt werden können, arbeiteten Rakel und Fiedler anschließend in einer Podiumsdiskussion zusammen mit Christine Fettich und Britta Schönhüttl von der Süddeutschen Zeitung, Catherine Hiller von der Funke Mediengruppe und Strategieberater Lennart Schneider heraus. Dabei zeigte sich unter anderem, dass Verlage ein ernstzunehmendes Potenzial in den erst jüngst gestarteten WhatsApp-Channels sehen und diese derzeit intensiv testen.

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